Die bedeutendsten Alpenpässe in der Antike waren der Große St. Bernhard, welcher das Aosta-Tal mit dem Rhonetal und dem Genfer See verband, der Septimerpass vom Comer See über Chur zum Bodensee und der Brennerpass, von Bozen nach Innsbruck. Die Route über den Gotthardpass – heute eine der wichtigsten Alpentransversalen – konnte erst im 13. Jahrhundert erschlossen werden.
Neben der Route durch das Rhone und Saone-Tal (Marseiller Straße) war der Weg über den Großen St. Bernhard bereits in vorrömischer Zeit eine der wichtigsten Routen im westlichen Alpenraum. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Römer schon recht früh diese Route befestigten, der südliche Zugang wurde durch die Römerstadt Aosta der nördliche Zugang von Martigny aus überwacht. Im Mittelalter erhielt sie den Namen „Straße der Franken“ - Via Francigena und führte von Canterbury in England über Arras, Reims, Besancon und den Großen St. Bernhard nach Rom. Sie war eine der großen Pilgerrouten zum Grab des Heiligen Petrus, aber auch Könige, Kaiser, Ritter und Handelsleute, Priester und Mönche reisten über sie nach Rom.
Handelswege in der Schweiz (eigene Karte; Relief toposwiss - Freie Lizenz für Forschung und Schulische Zwecke)
Von der Marseiller Straße und der Via Francigena zweigten zwei Römerstraßen in nordöstliche Richtung ab.
Die erste führte von Vienne (südlich von Lyon) über Genf nach Lausanne, dann südlich des Jura über Avenches (bedeutende Römerstadt) zum Rheinknie nach Augst (Augusta Raurica) bzw. über Solothurn und Windisch (Legionslager; wichtige Rolle bei der Erschließung der Agri Decumantes; Römerstraße über Hüfingen, Rottweil, Rottenburg, Köngen und Cannstadt) nach Konstanz (seit 585 Bistum).
Die zweite Römerstraße führte über Dole (ehemals Hauptstadt von Burgund), Besancon (ehem. kelt. Oppidum, röm. Vesontio & Erzbistum) nördlich des Jura durch die Burgundische Pforte (einem flachen Sattel zwischen Vogesen und Jura) zum Rheintal. Bereits in der Antike hatten die durch die Burgundische Pforte verlaufenden Wege hohe strategische Bedeutung. Über die Vogesen gab es nur wenige, schwierige Übergänge zum Rhein, noch schwieriger war ein Übergang des Jura.
Der Aufstieg Berns steht im engen Zusammenhang mit der Route über den Lötschberg und Simplonpass. Von Thun über das Kandertal und den Lötschberg (Funde aus der Bronze und Eisenzeit) führte die Route über Visp (Zermatt -> Matterhorn) und Brig zum Simplonpass, um nach dem Abstieg Domodossola zu erreichen. Von dort ist eine Römerstraße zum Lago Maggiore nachgewiesen, die um den See weiter nach Mailand und von dort über Piacenza, Parma und Bologna nach Rimini führte. Die Route war Teil eines überregionalen Handelsweges von England bzw. Flandern zur Adria. Heute ist die Lötschbergbahnlinie und deren Fortsetzung durch den Simplon nach dem Gotthard die zweitwichtigste Alpenpassage der Schweiz.
Die Gotthard-Route erlangte erst spät ihre Bedeutung. Dies lag weniger am Gotthard-Pass selber, der auch schon in vorrömischer Zeit genutzt wurde, sondern an der Unbezwingbarkeit der Schöllenenschlucht, die nördlich des Gotthardpasses lag und erst im Jahre 1230 erschlossen werden konnte. Sie verband das Reusstal über den Gotthardpass mit dem Tessin. Danach war der Aufstieg der Gotthard-Route nicht mehr aufzuhalten.
Vor dieser Zeit versuchte man die Schöllenenschlucht entweder auf der westlichen Route über Furka und Grimsel oder der östlichen Route über Lukmanier und Chrüzli zu umgehen. An der letztgenannten Route entstand das Kloster Disentis, ein einflussreiches Benediktiner-Kloster, was die ehemalige Bedeutung dieser Route unterstreicht. Vermutlich verband schon ein hallstattzeitlicher Verkehrsweg Biasca über den Lukmanier und dem Chrüzlipass mit dem Reusstal. Später sind Pilgerfahrten der Möche aus Disentis zum Wallfahrtsort Einsiedeln über den Chrüzlipass überliefert.
Die Besitzungen des Klosters Disentis umschlossen das gesamte Vorderrheintal bis zur Ruinautal, der Rheintalschlucht auch bekannt als Grand-Canyon von Graubünden, somit hatte das Kloster die Kontrolle über viele der Bündner Alpenpässe und den gesamten Handelsverkehr über die Glarner Alpen. So zweigte eine Route südöstlich des Lukmanierpasses von der Lukmanierroute ab und verlief den Greinapass nutzend über den Panixerpass nach Glarus (erste Talkirche im 6. Jh; Clarona wird erstmals im 8. Jh. erwähnt; große Teile gehörten zum Kloster Säckingen). Eine weitere Route führte von San Bernadino in nördliche Richtung über Vals und Illanz (bereits 765 wird ein bischöflicher Hof erwähnt; Sitz der Minister der fränkischen Könige) den Segnaspass nutzend ebenfalls nach Glarus. Bodenfunde belegen, dass die Route bereits in urgeschichtlicher Zeit genutzt wurde, lassen sich doch mehrere steinzeitliche Siedlungen und das Observatorium von Falera an dieser Route nachweisen.
Auch in fränkischer Zeit – wir erinnern uns die Gotthard Route war noch nicht erschlossen – wurde neben der Route Fluelen/Altdorf – Chrüzli – Disentis – Lukmanier – Bellizona, die Route Bellinzona - Vals – Ilanz – Glarus genutzt. Die nördliche Fortsetzung über Kaltenbrunn entlang der Thur (Thurgau) nach Konstanz ist wahrscheinlich.
Die untere Straße führte vom San Bernadino und Splügenpass durch die berüchtigte Via Mala, eine Schlucht im Hinterrheintal, nach Chur. Durch mehrere aus dem Fels gehauene Halbgalerien konnte diese seit römischer Zeit begangen werden.
Die obere Straße hingegen führte von Chiavenna über den Septimerpass, der seit der Römerzeit einer der wichtigsten Alpenübergänge war, nach Chur. Oberhalb des Passweges wurde ein römisches Feldlager aus augusteischer Kaiserzeit entdeckt. Die gesamte Septimerroute von Chur bis Chiavenna unterlag dem Bischof von Chur. Über den Pass zogen im Jahr 961 Otto der Grosse und im Jahr 1164 Friedrich Barbarossa. 1387 wurde der Pass zu einer befahrbaren Straße ausgebaut, verlor aber im 15. Jh. mit Ausbau der Via Mala an Bedeutung gegenüber der unteren Straße.
Zwei wichtige Ost-West Routen sind noch zu nennen, die eine führte von Meran entlang der Etsch durch das Vinschgau, zweigte dann in das Münstertal ab (Kloster Müstair gegründet um 775 von Karl dem Großen – berühmt für seine fränkischen Fresken) um über den Ofenpass das obere Inntal (Engadin) zu erreichen. Über den Julierpass bei St. Moritz (Nutzung der Heilquellen seit der Bronzezeit) führte die Route weiter nach Chur. Von hier aus durch das vordere Rheintal (oberhalb der Rheinschlucht Ruinaulta) nach Disentis und über den Oberalb und den Furkapass in das obere Rhonetal bis nach Martigny (keltischer Ort Octudurum, 57 v. Chr. von den Römern erobert und in Forum Claudii Vallensium umbenannt).
Eine weitere Route zweigte im Engadin von dieser Route ab und führte über den Flüela nach Sarganz, entlang des Walensees und des Zürichsees nach Windisch (Legionslager, Stammburg der Habsburger) und von dort über den Bözberg nach Säckingen (ältestes Kloster der Schweiz) und über Augst zum Rheinknie bei Basel. In Windisch vereinigte sich diese Route mit einem Handelsweg der von Innsbruck kommend in Landeck (Via Claudia Augusta) das Inntal verließ und über den Arlberg (St. Anton) nach Feldkirchen (Römerlager) führte. Von dort durch das Appenzellertal nach St. Gallen (Kloster 7. Jh.) weiter über Winterthur (Römersiedlung, Kyburg) nach Windisch.