Vorgeschichtliche Handels- und Verkehrswege

Ausschnitte aus den Dokumenten von Professor Dr. J. Schneider (1890)

 

1. Von Marseille bis zur Wesermündung (Marseiller Straße)

Von der Meeresküste bei Marseille lief ein großer Handelsweg nach Norden durch das Rhone- und Saonetal über die Hochfläche von Langres und durch das Moseltal nach Metz. Von da dem linken Ufer der Mosel entlang an Trier vorbei durch das Tal abwärts bis Cochem, wobei die starken Flusskrümmungen über die Berge abgeschnitten wurden. Bei Cochem verließ die Straße das Moseltal, und lief über die Höhe nach Neuwied am Rhein, wo sie den Fluss überschritt. Dann führte sie in gerader nördlicher Richtung über die Hochfläche nach der Sieg, die sie bei Schladern überschritt. Hierauf zog sie, im Allgemeinen die nördliche Richtung beibehaltend und die in dieser Richtung verlaufende Gebirgstäler benutzend, nachdem sie oberhalb Altena die Lenne überschritten, bis Iserlohn, worauf sie bei Langschede über die Ruhr setzte. Von da ging der Weg weiter über die Hochfläche nach Unna, und zuletzt durch die norddeutsche Ebene, nachdem er bei Werne die Lippe überschritten, über Münster, Ibbenbüren, Marren und Frisoythe, sodann am Zwischenahner Meer vorbei und mit Umgehung der dortigen Moore, nach dem Jadebusen und der Wesermündung (vielleicht auch noch über die Elbe bis zur Ostsee bei Eckernförde).

Dieser vorgeschichtliche Weg diente zuerst den Massilioten (in den südlichen Teilen war er schon bei den Phöniziern im Gebrauch) und später auch den Römern in seiner ganzen Ausdehnung als Handelsweg, wurde aber auch von den Letzteren teilweise als Heerweg benutzt und zu diesem Zwecke zum großen Teil kunstmäßig ausgebaut. Von Marseille bis zur Mosel war derselbe mit Steinmaterial versehen. Während aber der ältere Weg von da weiter durch das Tal lief, ging die römische Steinstraße über die Höhe nach Metz und Trier, und während auch von hier aus jener fast ganz in der Talsohle blieb, lief die Römerstraße wiederum über das Gebirge bis an den Rhein bei Neuwied. Wir haben bereits früher unsere Ansicht ausgesprochen, dass diese Strecke der Römerstraße, der Richtung des alten Handelsweges entsprechend, durch M. B. Agrippa angelegt wurde, und demnach als eine der ältesten römischen Kunststraßen in Gallien anzusehen ist. Jenseits des Rheines lässt sich der Steinbau der Straße nur von Neuwied bis Heddesdorf verfolgen. Von hier an kommen die Straßenreste bloß in Form von Erddämmen vor, die aber bezeugen, dass auch auf der rechten Rheinseite der alte Weg den Römern auf einer längeren Strecke als Heerweg gedient hat. Es wird dies auch bestätigt durch das Vorhandensein zweier römischer Marschlager, deren Reste sich bei Bonefeld (Kr. Neuwied) und Neustadt (Kr. Gummersbach) erhalten haben. Auch das große Römerkastell bei Niederbieber lag an dieser Straße. In dem ferneren Verlauf nordwärts durch das Gebirge, wo die Straße mit bewundernswerter Geschicklichkeit über die Höhen geführt ist, während der vorgeschichtliche Weg durch die Täler ging, wird seine Anlage ebenfalls von den Römern herrühren, und wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass der Heerweg bis nach Münster ging, weil bis hierher mehrere römische Seitenstraßen in denselben einlaufen, was weiter nördlich nicht mehr der Fall ist. Dagegen wird er auch noch weiterhin als Handelsweg von den Römern benutzt worden sein. Während nun unsere Straße in ihrem Laufe nördlich von Münster nur als gewöhnlicher Sandweg, ohne alle künstlichen Zutaten, auftritt und die römischen Funde nur auf eine Benutzung zu Handelszwecken hinzudeuten scheinen, muss es in hohem Grade befremden, dass gegen das Ende hin, bei Ronneförde, in der Verlängerung des Weges, ein Bohlweg erscheint, der nur von den Römern zu militärischen Zwecken angelegt sein kann.

Vom rechtem Ems Ufer, gegenüber Bingum, führt in östlicher Richtung ein alter Weg nach Leer, über Nordmohr, Filsum und Hollen als Bohlweg weiter durch das Lengener Hochmoor an Moorburg vorbei nach Konneförde, von wo sie dann mit unserem vorgeschichtlichen Handelsweg zusammenfälllt. Der auffallende Umstand, dass der alte Handelsweg an seinem Ende als römische Heerstraße auftritt, erklärt sich aus dem Umstand, dass der vorgeschichtliche und der römische Weg zuletzt zusammenfallen, und somit jener als die Fortsetzung einer von Bingum herkommenden römischen Heerstraße erscheint, die wahrscheinlich zur Verbindung des dortigen Kastells mit einem Kastell an der Wesermündung gedient hat.

Ein zweiter Arm der Marseiller Straße ging über das Gebirge der rechten Moselseite bis Trier, und über den Hunsrück an den Rhein bei Niederrheinbach. Jenseits des Flusses lief die Straße von Lorch aus über Siegen, Arnsberg und Soest, dann über Warendorf, Engter und Damme, hierauf an Lohne vorbei über Vechta nach Oldenburg und mündete zuletzt in die vorherige Straße. Die Straße ist in der ganzen Strecke von Metz bis zum Rhein mit Steinmaterial versehen. Jenseits des Stromes hört der Steinbau auf, aber es sind in der ganzen Ausdehnung sowohl römische Münzen als Spuren römischer Bauweise an der Straße gefunden worden.

Vorgeschichtliche Handels- und Verkehrswege vom 
		Rhein an die Nordsee und Ostsee nach Professor Dr. J. Schneider.

Vorgeschichtliche Handels- und Verkehrswege


2. Von Nizza bis zur Rheinmündung (Rheintalstraßen)

Von der Meeresküste bei Nizza lief eine alter Handelsweg zuerst durch das Tal des Baglione, dem linken Ufer entlang, bog dann rechts in Seitentäler, erstieg die Meeralpen und lief über den Sol di Tenda nach Cuneo, ging von da über Turin, und trat bei Ivrea in das Tal der Dora Baltea, dass er durchzog bis Aosta, ging dann über den großen St. Bernhard auf Martigny und zum Genfer See bei Billeneuve, hierauf eine kurze Strecke dem See entlang bis Beven, und dann wieder in nördlicher Richtung bis Basel. Von hier lief derselbe in zwei Armen, links- und rechtsrheinisch, einerseits bis Neuss, andererseits bis Effenberg (bei Duisburg), von wo der Wasserweg eingeschlagen wurde.

Diese alte Straße ist gleich der vorigen von den grieschichen Kolonisten des Mittelmeers als Handelsweg benutzt, später in seiner ganzen Ausdehnung zu Kriegs- und Verkehrszwecken von den Römern erneuert, und rechtsrheinisch bis Utrecht, linksrheinisch bis zur Nordsee vorgesetzt worden.

3. Von Genua bis zur Elbemündung (Genueser Handelsweg)

Von der Küste des Mittelmeers bei Genua lief der dritte große Handelsweg, über den Apennin und durch die lombardische Ebene nach Mailand, dann den Comersee entlang und über den Splügen nach Chur und Bregenz, hierauf eine kurze Strecke den Bodensee entlang bis in die Nähe von Lindau, von wo er sich nördlich wendend durch Württemberg und Bayern dem Limes entlang läuft, den er, zum Teil unter dem Namen „Schwabenpfädle“ zu wiederholten Malen durchschneidet. Bei Miltenberg überschreitet er den Main, unter dem Namen „Eselspfad“ über den Spessart, stets die Wasserscheide einhaltend, setzt bei Haigenbrücken über den Lohrbach und bei Wirtheim über die Kinzig, zieht dann durch den Büdinger Wald an Gedern vorbei und über den höchsten Teil des Vogelsberges, wie bisher stests die Wasserscheiden einhaltend, nach Alsfeld. Von da läuft der Weg nach Neukirchen und Homberg, über Gelsungen und Altenbauna bis in die Nähe von Kassel.

Wahlershausen, „Bremer Straße“, Burguffeln, Grebenstein, Hofgeismar, Deissel, an die Weser bei Herstelle, am Fuße des Sollingerwaldes nach Holzminden, Stadtoldendorf, Eschershausen, Holzen, Dellingsen, der Leine folgend nach Hannover, Walsrode, Bisselhövede, nimmt aber hier, um die nun folgenden Moore zu vermeiden, eine nordwestliche Richtung an und zieht über Rpthenburg und Zeven nach Bremervörde, zuletzt aber in nördlicher Richtung zur elbemündung und an die Nordsee zwischen Cuxhaven und Neuhaus.

Auch dieser alte Handelsweg wurde von den Römern auf einer langen Strecke zu Kriegszwecken erneuert: durch Italien und die Schweiz ist er als Römerstraße seit längerer Zeit bekannt, auch laufen hier verschiedene Routen der Peutinger Tafel und da Itinerars auf derselben. Ebenso ist er durch Württemberg und Bayern – vom Bodensee bis zum Main – als Römerstraße festgestellt. … Auf dem Spessart wie auf dem Vogelsberg trifft man an mehreren Stellen die Wälle der Straße an, die man manchmal für die Fortsetzung des Limes, der bei Miltenberg aufhört, gehalten hat.

Man kann die Spuren ungefähr bis dahin verfolgen, wo eine von Mainz-Kastel kommende und über das Gebirge in nordöstlicher Richtung nach der elbe ziehende römische Heerstraße schneidet, und es erscheint kaum zweifelhaft, daß die Römer die alte Straße auch auf der rechten Seite des Mains und über das Gebirge kunstmäßig bis hierher zu dem Zwecke weitergebaut haben, um jenen Heerweg mit dem Süden in direkte Verbindung zu setzen. Von dem Vogelsberg nordwärts bis in die Nähe der Weser, und von der Weser bis zur Elbemündung finden sich an dem alten Wege sowie in seiner Umgebung nirgends mehr römische Spuren vor. Um so mehr muß es überraschen, daß kurz vor dem Überschrieten der Weser, nämlich von Deissel an, der Weg die unverkennbaren Überreste einer Römerstraße aufweist, bestehend bald in zwei, bald in drei Wällen, und daß diese Straße bei Herstelle nach einem römischen Lager führt, worin zahlreiche römische Altertümer gefunden worden sind.

4. Von der Emsmündung in südöstlicher Richtung bis zur Donau

Eine vierte alte Straße geht von der Emsmündung dem linken Flußufer entlang bis Halte, wo sie, um das Boutanger Moor zu vermeiden, auf das rechte Ufer übergeht. Dann setzt sie bei Meppen wieder auf die linke Seite und folgt dem Lauf des Flusses bis Rheda, wo sie wieder auf das rechte Flussufer geht. Hierauf verlässt sie alsbald die Ems und führt über Paderborn und Warburg nach Kassel. Von da zieht sie nach dem Thüringer Wald, über dessen Rücken sie unter dem Namen „Rennsteig“ läuft, dann über den Frankenwald nach Eger und zuletzt über Pilsen und Budweis nach der Donau, die sie zwischen Wien und Preßburg erreicht (und von dort weiter nach Carnuntum führte).

Dieser vorgeschichtliche Weg ist ebenfalls von den Römern als Heerweg erneuert worden, wovon man die Überreste der Ems entlang und dann bis gen Lichtenau verfolgen kann, und es scheint die römische Straße bis Warburg gegangen zu sein, denn von hier bis Deissel trifft man wieder die Spuren von Wall und Graben. Von Deiseel geht, wie oben bemerkt eine Römerstraße nach Herstelle.

Auch als Handelsweg scheinen die Römer unsere Straße, und zwar in ihrer ganzen Ausdehnung von der Donau bis zur Nordsee, gebraucht zu haben, da dieselbe höchst wahrscheinlich von dem berühmten Handelsplatz Carnuntum an der Donau ausgegangen ist.

5. Von der Ems bei Lathen in östlicher Richtung bis zur Elbe („Folkwech“)

Von der Ems bei Lathen und aus der Nähe der Clus läuft in zwei Armen, die sich bei Werlte vereinigen, über den Hümeling, einerseits über Sögel, anderseits über Börger ein alter Weg nach Lindern und Kloppenburg, von da über Fisbeck und Bühren nach Bassum und Moor, nimmt dann eine nordöstliche Richtung an und überschrietet , nachdem er über die Weser gesetzt, bei Berden die Aller. Hierauf zieht er nach der Lüneburger Heide.… südlich von Soltau, durch die Heide … Hansen, Beerßen, Rummerstein, Ülzen und weiter bis zur Elbe. Dieser alte Weg, zeigt in seiner ganzen Ausdehnung, außer in der kurzen Strecke zwischen Börger und Auen, wo ermit einem römischen Heerweg zusammenfällt, nirgends Spuren römischer Anwesenheit: wir haben ihn als eine germanische Völkerstraße aufzufassen, die auch urkundlich schon im Jahre 788 den Namen „Folkwech“ führte.

6. Von der Ems bei Lingen in östlicher Richtung bis zur Elbe (Lingener Weg)

Die sechste alte Straße geht von der Ems bei Lingen aus … Freeren, Fürstenau. Bramsche, Engter, Benne, Ostercappeln, Kr. Oldendorf,, Nordrand des Wiehengebirges entlang über Lübbeke und überschreitet bei Minden die Weser. Dankersen, Berenbusch, Nordholz, nördlich von Meinsen, über Hevesen nach Südhorsten. Es wissen sich jedoch ältere Leute noch zu erinnern, dass bei Meinsen vor mehreren Jahren ein altes Wegstück vorhanden war, das der „Kriegerweg“ hieß und ein Teil einer alten Straße war, die nach Hannover gegangen sei. Von Südhorsten läuft der alte Weg weiter über Kirchhorsten und Enzen nach Stadthagen. Von da zieht er mit der Chaussee nach Renndorf, nördlich vom Deistergebirge, über Hiddesen, durch die Schlucht zwischen dem Burgberg und dem Windmühlenberg unter dem Namen „der tiefe Weg“ nach Gehrden und Ronneberg, von da an der Küfmühle vorbei über Devesen nach Wildenburg und über die Leine. … Gehnde nach Evern, über Peine nach Braunschweig und von da in südöstlicher Richtung nach Schöppenstedt. Zuletzt geht er als „alte Heerstraße“ über Schöningen bis zur Nordseite von Magdeburg.

Dieser altgermanische Weg diente später auf längere Strecken auch den Römern zu Kriegszwecken. Hier sei nur bemerkt, dass die beiden höchst bedeutenden Altertumsfunde, der bei Suderwehe (1179 Silber-, 10 Goldmünzen und ein goldener Schmuck) und der bei Lintorf (99 Goldmünzen) an diesem alten Weg gemacht wurden. Diese funde rühren jedoch nicht von den Römern selbst her, sondern gehören … mit größter Wahrscheinlichkeit zu den Waffenfunden, die auch in anderen Teilen Deutschlands den Germanen zuzuschreiben sind.

7. Vom Rhein bei Xanten bis zur Elbe bei Stade

Vom Rhein bei Xanten führt die siebte alte Straße über Bocholt und Ahaus nach Rheine. Hier überschreitet sie die Ems, geht bald als alter Weg, bald mit der Chaussee über Hopsten nach Bersenbrück und Lohne, dann über Barnstorf, Twistringen und Bassum, und überschreitet in der Gegend von Bremen die Weser. Zuletzt läuft sie über Bremervörde nach Stade an die Elbe (vielleicht auch weiter bis zur Ostsee bei Kiel).

Von Xanten bis zur Ems ist der alte Weg von den Römern zu ihren Feldzügen kunstmäßig erneuert worden, wie aus den erhaltenen Überresten hervorgeht. Auch in der weitern Fortsetzung bis zur Weser scheint er zu JKriegszwecken gedient zu haben, worauf mehrere römische Münzfunde und der Bohlweg bei Brägel deuten. Dagegen ist er in vorgeschichtlicher (und wohl auch in römischer Zeit) in seiner ganzen Ausdehnung als Handelsweg im Gebrauch gewesen, wie der Fund einer Speerspitze aus Bronze sowie einer bearbeiteten Bernsteinstücks mit phönizischer Inschrift bei Lohne und die bedeutenden Altertumsfunde bei Stade bekunden.

Überblicken wir nun die Merkmale … so ist es vor Allem die ungewöhnliche und auffallend große Ausdehnung, und die stets innegehaltene grade nach einem bestimmten Ziele hinstrebende Richtung, welche ihnen sämtlich gemeinsam ist. Dabei ist der Boden über welchen sie hinziehen, stets so ausgewählt, daß diese Wege nicht bloß begangen, sondern auch befahren werden konnten. Eben diese passende Auswahl des Bodens ist auch die Ursache, dass alle diese straßen sich durch die Römerzeit, wie durch das Mittelalter und die neuere Zeit bis zum heutigen Tage … erhalten haben. Bei Ihrer Anlage folgte man im Allgemeinen dem Lauf der Gewässer oder dem Fuße der Gebirgszüge … oder falls der Fuß der Gebirge schwer gangbar war, zogen sie über den Kamm der Gebirge. In Moorgegenden aber suchten sie die ungangbaren Strecken vorsichtig zu umgehen, doch so, dass sie immer wieder in die frühere Richtung wiederkehrten. Als bewerkenswert ist noch anzuführen, dass man als Richtpunkt bei der Führung der Wege die größeren und kleineren Binnenseen wählte, wie z.B. bei der Straße 1, die auf den Zwischenahner See zu lief, ebenso bei der Straße 2, die zuerst nach dem Genfer See, dann nach dem Murten- und Bielersee und zuletzt nach dem Laachersee führte, dann die Straße 3, die zuerst an den Comersee und dann an den Bodensee lief.

Daß die Römer bei ihren Feldzügen in Deutschland, sowie auch bei dem häufigen Verkehr in Gallien, die schon vorhandenen Wege, die mit Rücksicht auf die zwecksmäßigste Bodenbeschaffenheit angelegt waren und daher in den am besten gangbaren richtungen verliefen, überall da, wo es die Verhältnisse gestatteten benutzt haben, liegt in der Natur der Sache, und es hat sich bei unseren Untersuchungen der Römerstraßen in Gallien wie in Germanien immer mehr herausgestellt, daß die römischen Kuststraßen gar häufig auf kleinere oder größere Strecken, Teile schon vorhandener Wege zur Grundlage haben, wie dies auch noch heutzutage bei fast allen unseren Chausseebauten der Fall ist. Ein weiteres Merkmal ist es, dass unsere Wege von Meer zu Meer, oder von Fluß zu Fluß, oder vom Meer zu einem großen Fluß laufen, und nicht wie die mittelalterlichen Handelsstraßen eine größere Stadt mit einer anderen verbinden. Nicht minder charakteristisch ist es, daß die alten Wege manchmal, wo die auf hochmittelalterliche Ortschaften zu laufen, nicht durch diese selbst, sondern eine geraume Strecke daran vorbeiziehen und die unbeachtet liegen lassen, also älter als diese sind.

Als weiteres Merkmal hat sich ferner gefunden, daß bei Weitem die meisten germanischen Gräber, nur den alten Wegen entlang vorkommen, was darauf hinweist, daß auch die Ansiedlungen in der Nähe der Wege lagen. Wir machen hierbei auf die aus großen Steinblöcken errichteten Grabdenkmäler, gewöhnluch „Hühnensteine“ genannt, aufmerksam und heben heror, daß alle die uns bekannnten Denkmäler dieser Art sich einzig und allein nur neben den alten Wegen vorfinden. Da nun die Gräber an die bereits vorhandenen Wege gelegt wurden, und nicht umgekehrt, so müssen diese älter als jene sein, und in eine sehr frühen Zeit reichen.

Von größter Wichtigkeit ist auch das Vorkommen von Kunstgegenstände griechischen und etruskischen Ursprunges an unseren Straßen, welche deren Gebrauch zu Handelszwecken in vorrömischer und römischer Zeit unzweifelhaft dartun.

Endlich dient auch das Auftreten mancher dieser Straßen in den Urkunden des frühen Mittelalters, sowie die Bezeichnung „alte Straße“, „alte Heerstraße“, „Rennweg“ dazu, deren höheres Alter zu bekunden.

Anmerkung:

Neben den oben von Professor Dr. J. Schneider genannten sieben Straßen existierten natürlich noch eine Reihe weiterer vorgeschichtlicher Handelswege in Deutschland. Unter anderem die westliche Bernsteinstraße, Bernstein & Zinnstraße (späterer Frankfurter/Bremer Weg), Salzstraßen, Eisenstraßen, Heidenstraße, Westfälischer Hellweg, Hellweg vor dem Santforde, Hellweg unter dem Berg, Hilinciweg, Mauspfad/Hühnerstraße, Antsanvia, Birkenhainer Straße, „Brabanter Straße“/Brüderstraße, Hällische Straße und die Vorläufer der Via Regia und der Via Imperii um nur einige zu nennen.

Anmerkungen zu 3:

Von dem nordwärts an die Elbe-Mündung führenden Genueser-Handelsweg zweigte in Kassel eine Route nordöstlich ab, die bis zur Ostsee führte. Von Kassel  führte diese vorbei am Zusammenfluß von Fulda und Werra (Münden) über Göttingen, Osterrode, Goslar, Wolfenbüttel, Braunschweig, Ülzen nach Lübeck.