Römerstraßen und Keltenwege

Schon in vorrömischer Zeit entstanden eine Reihe von Handelswege in Deutschland, die von den Kelten der Latenezeit für Ihre ausgedehnten Handelsreisen genutzt wurden. Die schnellen Aufmärsche und die koordinierten Zangenbewegungen der römischen Legionen wären ohne die bereits vorhandenen Wege in dieser Form nicht möglich gewesen. Lagen die Handelswege auf dem späteren römischen Gebiet, so wurden diese häufig durch die Römer überbaut und als römische Straßen befestigt. Auch auf germanischem Gebiet lassen sich von Römer befestigte Wege finden. Eine empfehlenswerte Leküre hierzu sind die Unterlagen von Professor Dr. Schneider. Häufig finden sich jedoch Unterlagen in denen die Germania Magna als unerschlossenes Gebiet dargestellt wird oder die Aussage, dass die unzugänglichen Gebiete erst erschlossen wurden, indem die Römer Schneisen in die dichten Wälder geschlagen hätten. Dies vermittelt ein falsches Bild. Die Wege auf denen der Limes später einmal entstehen sollte, waren seit Jahrhunderten in Benutzung. Ohne die Leistungen der Römer schmälern zu wollen, existierte bereits vor den Römern eine Infrastruktur mit befestigten Städten (Oppdia) und ein hervorragendes Wegenetz über das neben den alltäglichen Dingen des Alltags (u.a. Salz & Eisenwaren) hochwertige Handwerksstücke und Kostbarkeiten gehandelt wurden. Erst die gemeinsame Betrachtung und die Gegenüberstellung der Römerstraßen mit den alten Keltenwegen erlaubt uns ein besseres Verständnis der damaligen Situation. Insbesondere die in den letzten Jahren gefundenen römischen Standorte auf germanischem Gebiet u.a. in Limburg, Waldgirmes, Dorlar, Nieder-Weimar und Marktbreit erfordern eine Neubewertung und macht die Suche nach einem besseren Verständnis aktueller denn je. Mit meinen Beiträgen möchte ich zu diesem besseren Verständnis beitragen.

Römerstraßen in Deutschland

War die Germania Magna tatsächlich nur ein weißer Fleck auf der Landkarte ?

In Bezug auf das Handelsnetz übernahm der Limes eine duale Rolle. Neben seiner Eigenschaft als bewachte militärische Grenze müssen wir uns einerseits den Limes als eine Ansammlung von Mautstelle vorstellen, die den Warenverkehr an der Grenze regelte und besteuerte. Die Handelswege endeten nicht am Limes, sondern lassen sich teilweise über hunderte von Kilometern auf nicht römischem Gebiet weiter verfolgen. Andererseits sind viele Strecken des Limes selbst Teil übergeordneter Handelswege. Dies ist besonders gut am Taunus-Limes bzw. dem vorderen und hinteren Odenwald-Limes erkennbar. Der vordere Odenwaldlimes wurde nicht von den Römern über 50 km kerzengerade angelegt, um die Germanen mit dieser ingeneursmäßigen Leistung zu beeindrucken - wie leider auf Infotafeln und in aktuellen Fernsehsendungen postuliert wird. Er ist Teil von mehreren übergeordneten Fernwegen, die von Norditalien über die Alpen bis Kempten und weiter von Lorch entlang des Limes nach Miltenberg führten. In Miltenberg verzweigt der Weg. Ab Miltenberg führte der eine über den Eselspfad und den Vogelsberg in Richtung Thüringen an die sächsische Elbe bzw. über Gedern und Kassel an die Elbemündung. Ein weiterer Weg ging bei Großkrotzenburg über die Römerbrücke entlang des östlichen Wetterau-Limes am Glauberg vorbei bis zum Kastell Arnsburg und zweigte in die Bernstein- und Zinnstraße ein, die vom Rhein-Main-Gebiet über Paderborn bis nach Bremen verlief. Vom Glauberg über Arnsburg bestand die direkte Verbindung zwischen den Keltenstätten am Glauberg und Dünsberg und von dort über den Westfalenweg nach Winterberg mit Anschluß an die Heidenstraße und den Kriegerweg nach Paderborn. Ein weiterer Weg ging über Kesselstadt zum keltischen Hausberg bei Butzbach und über den Wellerweg nach Waldgirmes, rechtseitig der Lahn nach Herborn. Dort bestand Anschluß an den Westerwaldsteig in Richtung Hachenburg, Altenkirchen, Siegburg, Köln bzw. über Dillenburg, Kalteiche nach Siegen und von dort über die Brüderstraße nach Köln bzw. über Attendorn (Heidenstraße), Dortmund (Hellweg), Haltern (Lippekastell) nach Eschwege. Last but not least über die Römerbrücke in Bürgel entweder über den alten Keltenweg am Altkönig und dem Feldbergkastell vorbei oder über die Lange Meile zur Saalburg nach Limburg. Von dort bestand Anschluß an den Mauspfad, der über Altenkirchen und Siegburg rechtsrheinisch an Köln vorbei bis Duisburg (Hellweg) verlief. In Duisburg gab es eine Rheinfurt und somit die Möglichkeit auf der anderen Rheinseite über Xanten und Nijmwegen an die Rheinmündung bzw. westlich in die Gegend von Antwerpen, Gent und Brügge zu gelangen. Südwestlich von Brügge befand sich der Hafen Gesoriacum mit der Niederlassung der römischen Nordseeflotte und die Möglichkeit nach England überzusetzen.

Die Erschließung des vorderen Odenwaldlimes war somit nicht nur eine Verlagerung des Limes um 30 km in östlicher Richtung und die Verkürzung der Verbindung Augsburg - Mainz - wie häufig zu lesen ist - sondern über den Odenwaldlimes konnte in Verbindung mit den vorhandenen Wegen der Germania Magna der gesamte norddeutsche Raum erschlossen werden.

 

Römerstraßen in Deutschland und Handelswege in der Germania Magna.

Schematische Darstellung


Den hier vorgestellten Arbeiten liegt ein wesentlicher Grundgedanke zugrunde: der Überlagerung des keltischen und römischen Wegenetzes. Trotz des großen zeitlichen Unterschiedes von über 500 Jahren zwischen einem keltischen Wege- und einem römischen Straßennetz ergibt sich erst bei Gegenüberstellung von beiden ein ganzheitliches Bild.