Die Karte des Ptolemäus ist eine kartografische Darstellung aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, die die "Magna Germania" von der Kimbrischen Halbinsel (Dänemark) bis zum Noricum (Alpenvorland) und zwischen Rhein und Weichsel zeigt.
Sie wurde von dem Geographen und Astronomen Claudius Ptolemäus (* um 100 n. Chr., + nach 160 n. Chr.) erstellt. Neben einer Zusammenfassung der bedeutendsten Städte versuchte er in seiner Geographike Hyphegesis die damals bekannte Welt aufzuzeichnen. Seine Werke galten bis zur frühen Neuzeit als wissenschaftliche Standardwerke. Die Karten aus dem 2. Jahrhundert nach Christus sind nur als Kopien aus dem Mittelalter erhalten geblieben.
Detailkarte aus der Cosmographia von Ptolemäus
(Karte des 15 Jh. Quelle: wikipedia, Germania Magna)
Größte Überraschung ist die hohe Anzahl an Siedlungen in der Germania Magna und das genaue Wissen der Römer über den Standort dieser Siedlungen. Dies ist mit dem Vorstoß der Römer bis an die Elbe (Drusus-Feldzüge und folgende) im Zeitraum von 12 v. Chr bis 9 n. Chr. und die anschließenden Feldzüge des Germanicus allein nicht zu erklären. Neben vorgelagerter militärische Aufklärung flossen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das auf Handelsmissionen gesammelte Wissen ein. Daher scheint eine Gegenüberstellung der dargestellten Gebiete mit den damaligen Handelswegen und -routen hilfreich zu sein.
Bei der Interpretation der Details müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, dass die Karte auf Basis unterschiedlichster Informationsquellen erstellt wurde. Je nach zugrundeliegender Quellenlage besitzt sie in den einzelnen Regionen unterschiedliche Detailierungsgrade. Während die Küstenregionen und die Elbe ziemlich genau getroffen sind, fehlen andere Flußläufe im Inneren der Germania Magna wie Mosel, Main, Neckar, Lahn, Lippe, Ruhr, Fulda und Werra vollständig.
Die Vorstöße im Norddeutschen Raum erfolgten mit Unterstützung und Nachschub der römischen Flotte über die Nordsee und über Ems, Weser und Elbe, was sich im Detailreichtum nördlich von Ruhr und Harz wiederspiegelt. Die Vorstoßrouten entlang der Lippe (Lippe-Kastelle), der Lahn (Ems, Limburg, Waldgirmes, Dorlar, Nieder-Weimar) und durch die Wetterau (Rödgen, Friedberg) hingegen fehlen vollständig.
Versuchen wir nun die Ptolemäische Karte mit bekannnten Altwegen, die zur damaligen Zeit in Benutzung waren u.a. die Bernsteinstraße, Alte Salzstraße, Westfälischer Hellweg, Heidenstraße, Birkenhainer Straße, Mauspfad, Hohe Straße und die Verläufer der Via Regia und der Via Imperii, zu überlagern, kommen wir zu folgendem Bild.
Karte des Ptolemäus mit zu der damaligen Zeit bekannten Handelsrouten (eigene Ergänzungen).
Ankerpunkte bei der Interpretation
1. Flüsse
Wichtige Orientierungspunkte sind der Rheinverlauf bei Mainz und die Flußläufe von Rhein, Donau, Ems, Elbe und Weichsel. Während andere Flüsse - eher Naab oder doch die Altmühl - Interpretationsspielraum zulassen. Für eine bessere Orientierung habe ich fehlende Flüsse ergänzt.
2. Gebirge
Gut erkennbar sind Harz, Schwarzwald und die Schwäbische Alb. Thüringer Wald und Erzgebirge sind von der Ausrichtung her verschoben, aber als solche erkennbar.
Rheinschleife bei Bingen - Mainz
Nördlinger Ries und tropfenförmiges Neckarbecken
Die Flussläufe von Elbe, Weser und Ems
Harz, Hainleite und das Thüringer Becken
Mündung von Iller und Lech in die Donau
Rhein-Donau-Knie inkl. Schwarzwald und Titisee
Verlauf der Elbe über Dresden, Leipzig, Halle, Madgeburg und Hamburg
Anbei zwei Detailkarten mit den Altwegen im nördlichen und südlichen Teil der Germania Magna.
Karte des Ptolemäus mit zu der damaligen Zeit bekannten Handelsrouten (nördlicher Teil).
Karte des Ptolemäus mit zu der damaligen Zeit bekannten Handelsrouten (südlicher Teil).
Typische Fehlerquellen
1. Ausrichtung (Himmelsrichtung)
Die häufigste Fehlerquelle ist die zu grobe Ausrichtung in Nord-Süd oder Ost-West-Richtung. In Zeiten ohne Kompass konnte der Verlauf der Gebirge und Flüsse nur grob ermittelt werden, sie sind gegenüber der tatsächlichen Richtung leicht gedreht.
2. Größenverhältnisse (Zoom)
Die Rheinstrecke Freiburg - Mainz ist im Verhältnis zur Rheinstrecke Bingen-Nordsee viel zu klein dargestellt. Während in einige Gebiete reingezoomt wurde, die Details daher größer erscheinen (Nördlinger-Ries), wurde in anderen Gebieten herausgezoomt, die dargestellten Details erscheinen kleiner und zusammengedrängt (Schwarzwald).
3. Verschiebung
Der Rheinbogen bei Mainz ist viel zu südlich, Stuttgart und das Nördlinger Ries viel zu nördlich abgebildet. Durch eine leichte Verschiebung nach Norden bzw. Süden wäre das Problem behoben.
Typische Fehlerquellen: Himmelsrichtung, Größenverhältnisse und Verschiebungen.
Fazit
Die erste Orientierung mußte auch für damalige Betrachter schwierig gewesen sein, da mit wenigen Ausnahmen keine Städte des Imperium Romanum (Mainz, Straßburg, Köln, Augsburg, Regensburg), sondern nur Siedlungen der Germania Magna aufgenommen wurden. Dafür überrascht die hohe Anzahl an Siedlungen und das damalige Wissen weit über das Imperium Romanum hinaus.
Die Eroberung der gesamten Agri Decumantes, des Rhein-Main-Gebietes und der Wetterau, ein Gebiet welches später durch den obergermanisch-raetischen Limes umschlossen wurde, und zum Zeitpunkt der Erstellung der Karte bereits abgeschlossen war, ist in die Darstellung nicht eingeflossen.
Die Karte besteht wie eine Kollage aus Gebieten, die korrekt dargestellt, jedoch nicht optimal zusammengefügt wurden. Aufgrund unterschiedlicher Informationsquellen passen die Bereiche nicht immer zusammen. Größenverhältnisse sind unterschiedlich, die Gebiete sind leicht verdreht bzw. gegeneinander verschoben. Trotz dieser Kritikpunkte sollte man immer bedenken, zu welchem Zeitpunkt die Karte erstellt wurde und welche Mittel damals zur Verfügung standen. Mit all ihren kleinen und größeren Fehlern stellt die Karte des Ptolemäus einen großen Meilenstein in der Geschichte der Kartographie dar.