Feuersteinstraße

Bereits vor 7000 Jahren gelangten Feuersteine aus Bayern in die Siedlungen des Pilsener und Prager Beckens. Nach den Untersuchungen des Geoarchäologen Alexander Binsteiner verband eine direkte Handelsroute die Arnhofener Mine mit den steinzeitlichen Siedlungsräumen Bayerns und Böhmens. Die Route konnte bestimmt werden, da der Feuerstein unterwegs bereits roh bearbeitet wurde und die Schlagabfälle über Jahrtausende hinweg erhalten blieben.

Feuersteinstraße nach Böhmen

Mit dem Begriff "Feuersteinstraße" wird eine der ältesten rekonstruierten Handelsverbindungen, die rund 250 km lange Route über den Böhmerwald zwischen Bayern und Böhmen bezeichnet. Ein Großteil der Strecke führte offensichtlich entlang der Flüsse Donau, Regen, Naab und Schwarzach, wo in Ufernähe Überreste der Feuersteinbearbeitung identifiziert werden konnten. Man geht davon aus, dass diese Strecken per Einbaum zurückgelegt wurden. Nach der Passage von Furth im Wald und dem Pass von Waldmünchen, die zu Fuß bewältigt werden mussten, lässt sich die Spur des Feuersteins wieder nahe dem tschechischen Domazlice aufnehmen. Von da aus verläuft sie über das Pilsener Becken, vorbei an der Siedlungskammer von Rakovnik, bis nach Prag.

Feuersteinstraße über die Schwäbische Alb

Eine weitere derartige, über 100 km lange Straße führte während der bandkeramischen Phase der frühen Jungsteinzeit über die Schwäbischen Alb von Nürtingen nach Gerlingen.

Das Handelsnetz der Steinzeit

Vom 6. bis zum 3. Jahrtausend vor Christus überzog ein dichtmaschiges Handelsnetz Mitteleuropa.

Alexander Binsteiner rekonstruierte einen der ältesten Handelsweg Europas: die Feuersteinstraße - 220 Kilometer von Regensburg nach Prag. Damit fügte er ein entscheidendes Steinchen ins neolithische Puzzle einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor 7000 Jahren. Dreh- und Schwerpunkt war der Ruhrpott der Steinzeit im Donauknick südwestlich von Regensburg: In Arnhofen wurde seit dem 6. Jahrtausend v. Chr. Feuerstein der Extraklasse abgebaut, weiterverarbeitet und exportiert. In rund 20000 bis zu acht Meter tiefen Schächten wurde der begehrte Stein gebrochen. Arnhofen ist damit der größte Feuersteinbergbau Europas.

Deren Produkte vertrieb ein ausgefeilter Fernhandel entlang der Donau nach Osten in Richtung Ungarn, nach Westen bis zum Bodensee und nach Nord-Westen in Richtung Böhmen. Bei Fahrten durch das Regental konnte Binsteiner 50 Raststätten der vorgeschichtlichen Kaufleute dingfest machen, die stets an einem Ort mit Wasser lagen. Die Handlungsreisenden der Steinzeit hatten hier während der Rast an ihren Feuersteinrohlingen gearbeitet und in einem Fall den Steinmüll zusammen mit zufällig zerbrochenen Keramikgefäßen liegen lassen. In den fruchtbaren Lößlandschaften des Prager und Pilsener Beckens endeten zwei weitere steinzeitliche Fernhandelsstrecken. Die Linienbandkeramiker und ihre Nachfahren, die Stichbandkeramiker, bezogen zum einen Material und Fertigprodukte aus Polens Flintvorkommen. Zum anderen lieferte das Geröll der Eiszeit-Endmoränen in Sachsen den baltischen Feuerstein für Böhmen und Mähren. 1000 Jahre später mischte auch Italien im mitteleuropäischen Handel mit: Seit Ötzi ist klar, daß die Alpen kein Hindernis für den internationalen Handel des Neolithikums waren. Binsteiner fand 1994 die Bergwerke dazu in den Lessinischen Alpen bei Verona. Schlagartig waren neben Norditalien auch Süddeutschland, die Schweiz und Ostfrankreich in die steinzeitliche Wirtschaftsgemeinschaft einbezogen. Wie die Verbindungen in die umliegenden Gebiete - nach Norden und Osten - in der Steinzeit aussahen, "wissen wir noch nicht", bedauert Binsteiner. Er hofft, daß die Handelskarte durch weitere wissenschaftliche Wanderungen auf seiner Feuersteinroute komplett wird. Die Karte könnte sehr groß werden: Die Zeugnisse der ältesten Bauernkulturen Europas - etwa ihre 55 Meter langen Häuser und ihre kultischen Kreisgrabenanlagen à la Stonehenge - reichen bis in die Ukraine.

Auszug aus Bild der Wissenschaft - www.wissenschaft.de

Kritische Anmerkungen

Die auf Silexbergbau spezialisierten Archäologen Marjorie de Grooth/NL und Georg Roth/D können nach ihrer Ansicht die präsentierten Hypothesen widerlegen. Anhand umfassender Datenanalysen lässt sich nach ihren Studien - nicht nur zu Arnhofen - weder beim Bergbau, noch bei der Verarbeitung oder der Weitergabe eine derartig komplexe Arbeitsteilung im mitteleuropäischen Alt- bis Spätneolithikum auffinden

Meiner Meinung nach sind Begriffe wie "Ruhrpott der Steinzeit", "dichtmaschiges Handelsnetz", "ausgefeilter Fernhandel", "europäische Wirtschaftsgemeinschaft" und jedwede Assoziationen zum Industriezeitalter kritisch zu hinterfragen. Andererseits wurde der Feuerstein weit über den Eigenbedarf einer lokalen Gruppe abgebaut.

 Tatsache ist, dass in Arnhofen, süd-westlich von Regensburg gelegen, was mögliche Routen zur Verbreitung des Arnhofener Feuersteins betrifft, in einer absolut prädestinierten Lage gewesen wäre. In westlicher als auch östlicher Richtung bietet sich die Donau an, nach Norden Naab und Regen, Süd-Westlich die Route in Richtung Salzburg und Hallein und nach Nord-Westen natürlich das Altmühl- und Taubertal.

Die Donau zwischen Kelheim, Weltenburg und Eining war in späteren Zeiten Drehscheibe wichtiger Handelsrouten. Nicht umsonst führten der Rhein-Donau-Überlandweg und der raetische Limes wenige Kilometer westlich von Arnhofen über die Donau.


Beispiel: Die späteren Römerstraßen bei Eining / Arnhofen (Karte: wikipedia Kastell Künzing)

Beispiel: Rhein-Donau-Überlandweg bei Pförring / Arnhofen (Karte: Erich Kost mit eigenen Eintragungen)