Römer in Germanien

Keltische und germanische Siedlungsgebiete vor der Eroberung Germaniens durch die Römer

Cäsars Vorstöße gegen die Germanen

58 v. Chr. Schlacht bei Straßburg - Ariovist wird geschlagen und zieht sich auf die rechts-rheinischen Gebiete zurück

55 v. Chr. Brückenschlag bei Neuwied durch die Legionen Julius Cäsars

Der erste Vorstoß der Römer an den Rhein erfolgt im Jahr 58 v. Chr. unter dem Kommando von Julius Cäsar. Nachdem er die Helvetier an der Rhone besiegt hat, wendet er sich gegen die germanischen Truppen des Ariovist, die in der Nähe von Straßburg den Rhein überquert haben und schlägt diese über den Rhein zurück.

Während des gallischen Krieges kam es immer wieder zu Vorstößen germanischer Truppen über den Rhein, was dazu führte, dass Caesar in den Jahren 55 und 53 v. Chr. Brücken über Rhein (vermutlich bei Neuwied und Urmitz) errichten ließ und zweimal auf germanisches Territorium vorstieß. Unter anderem ließ er im Hunsrück das Römerlager Hermeskeil – das älteste bekannte römische Militärlager in Deutschland - in der Nähe des spätkeltischen Oppidum Otzenhausen errichten. Auch die zwei Kastelle in Limburg werden dieser Zeit zugeordnet. Damit ist es zum ersten Mal gelungen, Militärlager Cäsars auf der rechten Rheinseite nachzuweisen.* Die Sueben wichen aber einer Konfrontation aus. Nach dem zweiten Brückenschlag im Jahre 53 v. Chr. startete Cäsar seinen Feldzug gegen die Eburonen (Belgien) unter ihrem König Ambiorix, um sich für die ein Jahr zuvor erlittene Niederlage bei Atuatuca, eine der schwersten Niederlagen während des Gallischen Krieges, zu rächen.

* articles/hessen-archaeologie.de

Der Rhein als Reichsgrenze

Der Rhein als Grenze zwischen Gallien und Germanien / Gründung von Trier und Köln

Nach der Eroberung Galliens durch Gaius Julius Caesar in den Jahren 58 - 50 v. Chr. ist die Rheinzone fest in römischer Hand. Die römische Politik im Nordosten des Imperiums, am Rhein, ist für die nächsten 34 Jahre eher defensiv geprägt.

Marcus Vipsanius Agrippa lässt in seiner Zeit als Statthalter Galliens (39 - x v. Chr.) ein ganzes Straßennetz in Gallien errichten (Via Agrippa) und die Knotenpunkte durch Truppen sichern. Eine der neuen Fernstraßen führt bis an den Rhein und bildet das logistische Rückgrat der damals noch im Innern Galliens stationierten Truppenkontingente. Die Gründung von Augusta Treverorum (Trier) fällt in diesen Zeitraum. Nach der Niederschlagung des Aufstands der Aquitanier bekämpft er die Sueben, wozu er erstmals nach Cäsar wieder den Rhein überschreitet. Die Ubier siedelt er ans linke Rheinufer um. Ihre neue Hauptstadt Oppidum Ubiorum liegt in der Nähe eines Militärlager (angenommenes Lager des Agrippa) und wird später nach seiner Enkelin Agrippina minor in Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln) umbenannt.

Seit 25 v. Chr. wird die Nordgrenze der früheren Provinz Gallia cisalpina Norditaliens immer mehr in das rätische Siedlungsgebiet verschoben, etwa ins Veltlin (Addatal) und ins Etschtal.

Die Eroberung Germaniens unter Augustus - Unterwerfung der Alpenvölker und Vorstoß an die Donau

Eroberung von Raetien und Noricum

Das Jahr 16. v. Chr. bringt die Wende: Im diesem Jahr überschreitet der germanische Stamm der Sugambrer den Rhein - sehr wahrscheinlich nördlich von Bonn - vernichtet die V. Legion unter Marcus Lollius und erbeutet den Legionsadler. Diese Niederlage, die Clades Lolliana und die drohende Germanengefahr bewirkt eine Neuorientierung der römischen Politik nördlich der Alpen. Nach einer Reform der Verwaltung Galliens folgen eine Reihe von Eroberungsfeldzügen unter Augustus unter dem Vorwand der Wiederherstellung der Ehre durch Rückeroberung des Legionsadlers. Spätestens seit dem Jahre 15 v. Chr. ist der Plan konzipiert, mit mehreren Vorstößen - vom Rhein einerseits und von der Donau andererseits - Germanien zangenförmig anzugreifen. Kaiser Augustus (31 v. Chr. - 14 n. Chr.) plant die Einrichtung einer neuen Provincia Germania mit der Elbe als Nordostgrenze und einer Nord-Süd-Verbindung über Böhmen und Mähren zur mittleren Donau. Die augusteische Konzeption ist ein Stufenplan: 1. Vorstoß bis an die Donau durch Unterwerfung der Alpenvölker und Sicherung der Alpenpässe. - Gleichzeitige Besitzergreifung von Raetia und Noricum (15 v. Chr.) und Pannoniens (14 - 12 v. Chr.). - 2. Besetzung Germaniens bis zur Elbe (Offensive der Rheinarmee unter Drusus 12 v. Chr. und unter Lucius Domitius Ahenobarbus * um die Zeitenwende). - 3. Unterwerfung der Markomannen in Böhmen (9 v. Chr. - 6 n. Chr.).

Im Sommer des Jahres 15 v. Chr. besiegen Drusus und Tiberius die Alpenstämme, u. a. die in den Alpen und im Alpenvorland, in Oberschwaben und Bayern wohnenden Räter und Vindeliker. Hierzu zieht der römische Feldherr Drusus mit einem Heer über den Brennerpass (?) sowie flankierend über den Reschenpass in das Gebiet nördlich der Alpen. Im gleichen Jahr eroberte sein Bruder Tiberius, der spätere Kaiser, das Gebiet weiter westlich und erreichte über das Rheintal den Bodensee, wo sich das Gebiet der Vindeliker befindet. Im gleichen Zeitraum besetzen römische Truppen das mit Rom befreundete Königreich Noricum (Osterreich) bis zur Donau.

Die Straßenverbindungen über den Großen und Kleinen St. Bernhard, über die Bündnerpässe durch das obere Rheintal an den Bodensee sowie die Verbindungen vom Etschtal über den Reschen-Pass (Via Claudia Augusta) bilden die strategischen Voraussetzungen für die militärischen Operationen des augusteischen Heeres nördlich der Alpen. Die Brennerroute besteht schon als Saumpfad wird aber erst später mittels Ausbau der Via Raetia erschlossen.

Römische Funde im Alpenvorland bezeugen die Anwesenheit römischer Truppen während des Räterfeldzuges 15 v. Chr. in Oberschwaben und Bayern: Legionslager aus dieser Zeit wurden in Augsburg-Oberhausen und in Dangstetten, Kr. Waldshut entdeckt und ausgegraben. Von dort erfolgte der Vorstoß nach Norden bis zur Donau. Das Kastell Dangstetten wird wichtige Operationsbasis für den späteren Vorstoß an den Neckar und der Eroberung der Agri Decumantes.

Das von Drusus und Tiberius im Jahre 15 v. Chr. unterworfene Rätien und Vindelicien, die Alpen und das Alpenvorland, unterstehen einer Militärverwaltung; der Kommandeur der bei Augsburg-Oberhausen lagernden Legionen ist zugleich Statthalter von Oberschwaben und Bayern: legatus Augusti pro praetore in Vindolicis.

* Domitius war 22 v. Chr. kurulischer Ädil und im Jahr 16 v. Chr. ordentlicher Konsul. Etwa 12 v. Chr. war er Prokonsul der Provinz Africa. Als Statthalter von Illyricum (6 v. Chr.–1 n. Chr.) führte Domitius Feldzüge nach Germanien, wobei er im Jahre 3 v. Chr. über die Elbe vordrang. Anschließend war er Befehlshaber des Heeres in Germanien und legte die pontes longi („lange Brücken“) an, einen Bohlenweg, möglicherweise im Sumpfland zwischen Rhein und der Ems. Domitius war der Vater des Gnaeus Domitius Ahenobarbus, und Großvater des Kaisers Nero.

Die Eroberung Germaniens unter Augustus - Besetzung Germaniens bis zur Elbe (Feldzüge des Drusus)

Die zweite Phase des augusteischen Planes: die Eroberung Germaniens bis zur Elbe.

Abb.1: Feldzüge des Drusus (Schematische Darstellung de.wikipedia.org)


Das Militärlager in Mainz (Moguntiacum) und das erste Kastell in Xanten (Vetera I) entstehen in den Jahren 13/12 v. Chr. als Ausgangsbasen im Rahmen der Drusus-Initiative. Die römischen Vorstöße erfolgen entlang des Mains, der Lahn und der Lippe in das Innere Germaniens (Legionslager: Bad-Nauheim/Rödgen, Holsterhausen, Haltern, Oberaden, Anreppen).

Im Jahre 12 v. Chr. beginnt Drusus Oberbefehlshaber der Rheinarmee und Statthalter von Gallien die Offensive gegen die Germanen operiert bis zur Ems. 11 v. Chr. erreicht er mit seinen Truppen die Weser und unterwirft 10 v. Chr. das Gebiet zwischen Main, Lahn und Weser. Im Jahre 9 v. Chr. gelingt Drusus ein Vorstoß durch das Gebiet der Chatten und Cherusker bis zur Elbe. Auf dem Rückmarsch in die Winterquartiere an den Rhein stürzt sein Pferd - Drusus bricht sich den Unterschenkel - er stirbt in einem Lager zwischen Rhein und Weser in den Armen seines herbeigeeilten Bruders Tiberius. Tiberius übernimmt das Oberkommando der in Germanien stationierten Legionen. Seine Feldzüge sind erfolgreich, so dass Germanien im Jahre 7 v. Chr. als tributpflichtige Provinz * bezeichnet werden kann.

* Tacitus

Konsolidierung der eroberten Gebiete

Aufbau der Infrastruktur in der eroberten Gebieten / Forum Waldgirmes

Familiäre Unstimmigkeiten führen dazu, dass Tiberius anschließend mehrere Jahre im Exil lebt. In dieser Zeit findet eine Konsolidierung der eroberten Gebiete statt. Unter anderem entsteht die zivile Siedlung (Forum) in Waldgirmes und entsprechende Römerstraßen rund um Wetzlar. Die Besonderheit von Waldgirmes ist, dass es heute vor dem Limes liegt.

Die Eroberung Germaniens unter Augustus - Erneute Eroberungsfeldzüge unter Tiberius und Germanicus

Die Germania Magna ist unter römischer Kontrolle

Im Jahr 4 n. Chr. wird Tiberius von Augustus adoptiert und kehrt auf den germanischen Kriegsschauplatz zurück. Im Jahre 5 n. Chr. bricht Tiberius den Widerstand der Germanen: In Köln (Oppidum Ubiorum) wird nach gallischem Vorbild die Ara Ubiorum (Altar der Ubier) als geistiger Mittelpunkt der Provincia Germania errichtet wird.

Der Markomannen-Feldzug und der Aufstand in Pannonien

Die dritte Phase des augusteischen Planes: die Eroberung von Franken und Böhmen - scheitert.

Im Jahre 6 n. Chr. will Tiberius mit einem Zangenangriff von Rhein und Donau die Marcomannen unter Marbod in Böhmen und Mähren unterwerfen. Aber ein Aufstand in Pannonien vereitelt alle weiteren Pläne für die endgültige Einrichtung der Provinz. Tiberius muss seine Legionen in Eilmärschen von Germanien auf den Balkan führen, wo ihn die Aufständischen in Ungarn und Kroatien drei Jahre lang in einen Partisanenkrieg verwickeln.

Abb.2: Feldzüge von Tiberius und Ahenobarbus (Schematische Darstellung de.wikipedia.org)

Varus-Schlacht

„Varus, Varus gibt mir meine Legionen wieder“, Augustus

Als er schließlich den Aufstand niedergeschlagen hat, erreicht ihn die Nachricht von ungeheurem Ausmaß: Als der Statthalter Publius Quinctilius Varus in das Cheruskerland bis an die Weser vorrücken wollte, kam es zur bisher bittersten Niederlage der Römer. Arminius, Fürst der Cherusker und Oberbefehlshaber der aufständischen Germanen, vernichtete im Herbst 9 n. Chr. die gesamte untere Heeresgruppe am Niederrhein (bestehend aus 3 Legionen mit etwa 25000 Soldaten). Das ist das Ende der Provincia Germania. In der darauffolgenden Offensive der aufständischen Germanen sollen bis auf eines alle römischen Kastelle im rechtsrheinischen Germanien erobert worden sein. *

* Dieter Timpe

Feldzüge des Germanicus

Winterlager für zwei römische Legionen in Köln 14 n. Chr.

An dieser Tatsache ändern auch nichts die Feldzüge des Drusus-Sohnes Germanicus in den Jahren 14 - 16 n. Chr. Nach einem ersten Einfall in das rechtsrheinische Germanien im Jahr 14 gegen die Marser begann Germanicus im folgenden Jahr einen großangelegten Feldzug, zuerst gegen die Chatten, welches zur Zerstörung von Mattium, dem Hauptort der Chatten, führt, dann zur Ems und zum Ort der Varusschlacht.

Abb.3: Feldzüge von Germanicus 15 n. Chr. (Schematische Darstellung de.wikipedia.org)

Auf dem Rückmarsch zum Rhein wäre das Heer – vier Legionen – fast vernichtet worden. 16 n. Chr. stieß Germanicus erneut bis zur Weser vor, wo es im Spätsommer bei Idistaviso zu einer Schlacht gegen Arminius kam, die keinen eindeutigen Sieger hatte. Auf dem Rückweg kam es zur Schlacht am Angrivarierwall.

Abb.4: Feldzüge von Germanicus 16 n. Chr. (Schematische Darstellung de.wikipedia.org)

Die von Kaiser Tiberius 16 n. Chr. gegenüber dem Germanicus ausgegebene Doktrin, die Germanen ihren inneren Streitigkeiten zu überlassen, anstatt sie unter hohen römischen Verlusten in ihren Wäldern und Sümpfen zu bekämpfen, ging tatsächlich auf:

Der Rhein wird wieder Reichsgrenze

Durch Umsiedlung bzw. Vertreibung der germanischen Stämme entsteht eine vorgelagerte „Todeszone“ auf rechtsrheinischem Gebiet.

Kaiser Tiberius (14 - 37 n. Chr.) verzichtet auf alle rechtsrheinischen Eroberungen: der Rhein wird wieder die Grenze des römischen Imperiums wie zur Zeit Cäsars. Die Rheinarmee - bestehend aus dem oberen Heer (exercitus superior) und dem unteren Heer (exercitus inferior) - erhält den Auftrag, die Rheingrenze zu schützen.

Seit dem Jahre 16 n. Chr. ist der Rhein im Bereich der unteren Heeresgruppe von Hönningen/Niederbreisig (nördliches Ende des obergermanisch-raetischen Limes) bis zur Nordseeküste vier Jahrhunderte lang durch Kastelle entlang des Niedergermanischen Limes gesichert.

Zur gleichen Zeit stationiert die obere Heeresgruppe eine Legion in Vindonissa (Windisch), am Zusammenfluss von Aare und Reuß. Der Legionskommandeur von Vindonissa erhält seine Weisungen aus Mogontiacum (Mainz), der Kommandozentrale des oberen Heeres. Die Alpenrandstraße nach Rätien und Noricum schützen Militärposten, die dem Legatus Legionis in Vindonissa (Windisch) unterstehen.

Chatten Feldzüge des Caligula

Brückenkopf in Mainz-Kastell / Verlegung der Legion in das Kastell Bonn

Die im heutigen Hessen, nördlich des Taunus wohnenden Chatten - seit augusteischer Zeit ein permanenter Unruheherd - stoßen im Jahre 39 n. Chr. wieder einmal über den Rhein vor. Daraufhin inszeniert Kaiser Caligula (37 - 41 n. Chr.), Sohn des Germanicus, im Frühling 40 n. Chr. von Rom kommend mit der Rheinarmee eine Gegenoffensive in das Gebiet der Chatten. Wenn dieser Feldzug auch nur als Episode zu bezeichnen ist, so existiert doch seitdem ein durch Kastelle gesicherter rechtsrheinischer Brückenkopf im Vorfelde des Zweilegionenlagers Mainz/Mogontiacum und das Legionskastell in Bonn.

Gründung der Provinz Raetia

Das ehemals unter Militäraufsicht stehende Gebiet wird Provinz

Unter Kaiser Claudius (41 - 54 n. Chr.) werden die Gebiete des heutigen Graubünden, Vorarlberg, Oberschwaben und Südbayern zur Provinz Raetia et Vindelicia zusammengefasst. Gleichzeitig verbietet er jede militärische Operation in das rechtsrheinische Germanien - wo sein Vater Drusus 9 v. Chr. tödlich verunglückte. Rhein und Donau werden unter seiner Regierung als römische Reichsgrenze ausgebaut.

Abb.5: Die römischen Provinzen im Alpenraum (1. Hälfte des 1. Jh.)


Der Statthalter der Provinz Rätien (procurator Augusti) residiert mit hoher Wahrscheinlichkeit in Cambodunum (Kempten) bevor die Provinzhauptstadt wohl unter Trajan (98-117 n. Chr.) nach Augusta Vindelicum (Augsburg) verlegt wurde, wo zur Zeit der Offensive 15 v. Chr. die Legionen lagerten. Seit dem Jahre 46/47 n. Chr. verbindet die Via Claudia Augusta Abb.6 (13), die Provinz Rätien mit dem italischen Mutterlande. Von Verona Etschtal aufwärts über Bozen – Reschen und Fernpass - Füssen - Epfach - Augsburg kommend erreicht die Via Claudia Augusta bei Burghöfe die Donau: usque ad flumen Danuvium - ‚bis zur Donau‘ heißt es in den Inschriften der bei Feltre und Meran gefundenen Meilensteine. Zur Absicherung der Donaulinie wurde eine vom Donauursprung bis kurz vor Regensburg führende, die Donau nahe ihrem Südufer begleitende, mit Kastellen bewehrte Militärstraße - die sogenannte Donausüdstraße Abb.6 (10) - gebaut. Diese römische Fernstraße wurde zwischen 41 bis 54 n. Chr. zusammen mit den Kastellen der älteren Donaulinie des Rätischen Limes erbaut. Sie bildete mit der Donau selbst die Grenze zum freien Germanien.

Abb.6: Römerstraßen in Südwestdeutschland (B. Schwade)

Bataveraufstand

Gallien droht abzufallen

Nach Jahrzehnten der relativen Ruhe ist das Rheinland während der Ereignisse des Vierkaiserjahres (69) und das Bataveraufstandes (69/70) die neben dem italienischen Mutterland am stärksten in diese Geschehnisse involvierte Region des Imperiums.

Galba, der Nachfolger Neros, bringt durch einige unpopuläre Entscheidungen das Niedergermanische Heer gegen sich auf, das seinerseits im Januar 69 Vitellius zum Kaiser ausruft. Um seinen Thronanspruch in Rom durchsetzen zu können, marschierte Vitellius mit großen Teilen des Heeres nach Italien, der die Grenzsicherungen damit empfindlich entblößt.

Nach anfänglichen Erfolgen des Vitellius, der sich gegen Galba und dessen unmittelbaren Nachfolger Otho durchgesetzt hatte, wird mit Unterstützung der Donaulegionen Titus Flavius Vespasianus als Kaiser gegen Vitellius ausgerufen.

In dieser kritischen Phase erheben sich die Bataver und Cananefaten gemeinsam mit den Friesen. Der Aufstand gewinnt weiter an Dynamik, als Anfang Herbst 69 die acht in Mogontiacum (Mainz) stationierten Bataverkohorten nach Norden marschieren und sich mit den Truppen vereinigen, die unaufhörlich aus nahezu allen Regionen Germaniens Zulauf erhält und belagern die zurückgebliebenen Truppen im Castra Vetera (Xanten), die sich letztendlich im März 70 ergeben müssen. Gallien droht in einem eigenen Imperium Galliarum von Rom abzufallen.

Trotz des Sieges von Vespasian über Vitellius in der Schlacht von Bedriacum im Oktober 69 dauert es noch weitere zehn Monate bis die römischen Truppen in der Schlacht bei Trier (Sommer 70) und in der Schlacht bei Vetera (August 70), vor den Toren des zerstörten Kastells, eines der entscheidenden Gefechte bei der Niederschlagung des Bataveraufstandes gewinnen. *

* de.wikipedia.org „Vetera“

Eroberung der Agri Decumantes nördlich der Donau

Vorstoß von Straßburg aus in Richtung Donau / Bau der Kinzigtalstraße

Wichtiger Erfolgsfaktor für die Schlacht bei Trier war das rechtzeitige Eintreffen der zur Unterstützung der Rheinlegionen von Noricum (Österreich) herbeieilenden Donaulegionen. In dieser heiklen Situation wird nachdrücklich deutlich, dass vor allem für Truppenverschiebungen eine kürzere Wegverbindung vom Rhein zur Donau dringend notwendig ist. Kaiser Vespasian (69 - 79 n. Chr.) beauftragt daher seinen Legaten Cneius Pinarius Cornelius Clemens im Jahre 73/74 n. Chr. das Gebiet zwischen Rhein und oberer Donau zu erobern und eine Verbindungsstraße Abb.6 (6) zwischen beiden Flüssen zu bauen, die mit entsprechenden Kastellen zu sichern sei. Iter derectum ab Argentorate in Raetiam - ‚einen direkten Weg von Straßburg nach Rätien‘ heißt es auf einem in Offenburg am Ausgang des Kinzigtales gefundenen Meilenstein - eine Straße, die von Straßburg - durch das Kinzigtal - über Rottweil (Arae Flaviae) und Tuttlingen zur Donau und vermutlich weiter über den Vicus Orsingen zum Kastell Konstanz am Bodensee führt. Ausgangspunkt der Operation der oberen Heeresgruppe (exercitus superior) im Jahre 73/74 n. Chr. ist das Legionslager Argentorate (Straßburg).

An der Donau sind im Zuge der Neuorganisation der Rhein- und Donaugrenze durch Kaiser Vespasian nach dem Jahre 70 n. Chr. Kastelle bis Straubing und später bis zur Innmündung (norische Grenze) angelegt worden. Aber bereits im Jahre 80 n. Chr. existiert auf dem nördlichen Donauufer das Kastell Kösching und sehr wahrscheinlich auch Kastell Pförring.

Spätestens um 80 n. Chr. wird auch die Nordgrenze der Provinz Raetiens von der Donau auf die Schwäbische Alb vorverlegen.

Es entsteht ein Straßenzug, der von Pannonien über Noricum entlang der Donau bis nach Straubing führt, den Donaubogen bei Regensburg abkürzt indem er in westliche Richtung zum Kastell Eining führt, dort die Donau überquert und nördlich der Donau über Kösching, Nassenfels nach Oberdorf (östlich von Aalen) führt Abb.6 (5). Hier trifft er mit dem Alblimes zusammen, der von Lautlingen über Burladingen, Gomadingen, Urspring und Heidenheim nach Oberdorf führt und mit entsprechenden Kastellen gesichert wird.

Später wird der Straßenzug in westliche Richtung über Aalen und Lorch zum Kastell in Cannstadt verlängert. Nach der Überquerung des Neckars führte die Römerstraße Cannstadt - Pforzheim -Ettlingen Abb.6 (4) die westliche Richtung beibehaltend an den Rhein, querte den Rhein und führte über Wissembourg zur Saar und von dort nach Trier.

Rottweil/Arae Flaviae soll Mittelpunkt des neu hinzugewonnenen Gebietes und zentraler Verkehrsknotenpunkt am oberen Neckar werden. Aber der Chattenkrieg Kaiser Domitians 83 n. Chr. unterbricht den großangelegten Ausbau von Rottweill (Arae Flaviae). Die Planung der Stadt bleibt in den Anfängen stecken.

Eroberung der Wetterau / Gründung der Provinz Germania Superior

Wetterau, Odenwald und mittlerer Neckar werden römisch / Bau des Kastells in Friedberg

Die obere Heeresgruppe (exercitus superior) wird ein weiteres Mal aktiv. Ausgangspunkte der Operation im Jahre 83 n. Chr. ist das Doppellegionslager Mogontiacum (Mainz). Im Zusammenwirken mit den Auxiliareinheiten der Provinz Rätien können in begrenzten Operationen die Rhein- und Donaugrenze nach Osten und nach Norden vorgeschoben werden.

Spätestens ab dem Jahr 90 wird aus bisher militärisch verwaltetem Gebiet (exercitus superior) eine neue Provinz. Mainz wird die Provinzhauptstadt der zwischen 85 - 90 n. Chr. eingerichteten obergermanischen Provinz (Provincia Germania superior). Die Provinz umfasst Teile der heutigen Schweiz, Frankreichs, und des südwestlichen Deutschlands.

Die Militärterritorien aus der Zeit der augusteischen Offensive - das unter Militäraufsicht stehende Gebiet des unteren und oberen Heeres - erhalten zwischen 85-90 n. Chr. den Status von Provinzen: Provincia Germania inferior (Niedergermanien) und Provincia Germania superior (Obergermanien). Der Statthalter von Niedergermanien (legatus Augusti pro praetore) residiert in dem zum Statthalterpalast (praetorium) umfunktionierten Stabsgebäude (principia) des ehemaligen Zweilegionenlagers der 1. und 20. Legion apud Aram Ubiorum in Köln (Fundamente unter dem Kölner Rathaus). Die Kommandozentrale der oberen Heeresgruppe Mainz/Mogontiacum wird Provinzhauptstadt von Obergermanien. Vom linksrheinischen Mainz aus verwaltet der Statthalter (legatus Augusti pro praetore) - Kommandeur der beiden Mainzer Legionen und oberster Befehlshaber der in der Provinz stationierten Streitkräfte - das neu hinzugewonnene rechtsrheinische Gebiet.

Konsolidierung und Bau des obergermanischen Limes

Großer Truppenverband in Friedberg und kleinere Verbände in den vorgelagerten Limes-Kastellen

Nach seinem Sieg über die Chatten läßt Kaiser Domitian den erweiterten Brückenkopf im Vorfelde des Doppellegionenlagers Mainz/Mogontiacum durch Kastelle im Taunus und in der Wetterau absichern. Dieser Taunus-Wetterau-Limes nimmt seinen Anfang am Mittelrhein bei Rheinbrohl, umschließt das Neuwieder Becken, verläuft über den Taunus, durch die Wetterau und erreicht den Main bei Großkrotzenburg.

Noch zur Zeit des Kaisers Domitian (81 - 96 n. Chr.) wird der Taunus-Wetterau-Limes mit dem Süddeutschen Alblimes verbunden durch Kastelle am Main, im Odenwald, am mittleren Neckar. Eine Straße verbindet das Neckar-Kastell Köngen/Grinario mit dem Alb-Kastell Donnstetten/Clarenna.

Unter dem Kommando des Mainzer Statthalters bewachen Hilfstruppen (auxilia) in Kastellen und Wachttürmen die römische Reichsgrenze östlich des Rheines: den Taunus-, Wetterau-, Main-, Odenwald- und Neckar-Limes.

Im Schutze der befestigten Reichsgrenze kann nun mit dem Bau einer direkten Verbindungsstraße von der Provinzhauptstadt Mainz/Mogontiacum zur Provinzhauptstadt Augsburg/Augusta Vindelicum begonnen werden. Diese Hauptverkehrsader des Limesgebietes führt von Mainz über Groß-Gerau - Gernsheim -Ladenburg - Heidelberg Abb.6 (2) - Stettfeld - Cannstatt Abb.6 (3) - Urspring - Günzburg nach Augsburg Abb. 6 (8) und von dort als Via Julia nach Salzburg.

Bau des raetischen Limes

Der Ausbau des Limes erfolgte keineswegs einheitlich.

Die rechtsrheinischen Operationen sind zur Zeit des Kaisers Domitian (81-96 n. Chr.) abgeschlossen. In traianisch-hadrianischer Zeit (98 - 138 n. Chr.) wird die römische Reichsgrenze gegen die Germanen ausgebaut.

Vorverlegung des raetisch-germanischen Limes

Zu einer Grenzkorrektur kommt es dann noch einmal um die Mitte des 2.Jh. n. Chr.

Anlage des vorderen Odenwaldlimes

Mitte des 2.Jh. n. Chr. ordnet der Statthalter (legatus Augusti pro praetore) in Mainz/Mogontiacum an, die Garnisonen des Odenwald-/Neckarlimes um etwa 30 km nach Osten vorzuverlegen auf die Linie: Miltenberg am Main - Walldüm - Osterburken - Jagsthausen - Öhringen -Mainhardt - Murrhardt - Welzheim - Lorch. Durch die Vorverlegung des Odenwaldlimes auf die Strecke Miltenberg - Lorch entsteht eine fast geradlinige Verbindung von Kempten nach Hungen am nördlichen Ende des Wetterau-Limes.

Die Nordgrenze Rätiens wird etwa gleichzeitig dem obergermanischen Limes angepasst und auf den Nordhang des Remstales vorgeschoben.

Die rechtsrheinischen Gebiete schützen zu Anfang des 2.Jh.n.Chr. (116 n.Chr.) in Obergermanien: 2 Legionen, 2 Alen und 21 Kohorten - mehr als 20000 Soldaten und in Rätien (107 n. Chr.): 4 Alen und 11 Kohorten - etwa 10000 Soldaten. Das Territorium in der Umgebung der Militärlager ist von dem Boden der Provinz getrennt und untersteht der Rechtsprechung und Verwaltung der Truppe.

Änderung der Verteidigungsstrategie am Wetterau-Limes

Umstellung von zentraler Truppenpräsenz auf dezentrale Standorte

Massive Reduktion der Truppenstärke in Friedberg und Verlagerung auf die vorgelagerten Limes-Kastelle (Butzbach, Arnsburg, Echzell)

Schlacht am Harzhorn

Weiterhin bestehendes militärisches Engagement der Römer in der Germania Magna

Die Schlacht am Harzhorn, ein römisch-germanisches Schlachtfeld aus dem 3. Jahrhundert am westlichen Rand des Harzes ca. 200 km vor dem Wetterau-Limes (Hungen), zeigt das weiterhin bestehende militärische Engagement der Römer in der Germania Magna selbst 200 Jahre nach der Varus-Schlacht.

Abb.7: Harzhornereignis - Vermutete Marschroute der Legionen unter Maximus Thrax 235 n. Chr. *


Wahrscheinlich kamen die Römer von Norden auf dem Rückmarsch von der Elbe in Richtung Mainz. Der jahrtausend alte Wege führt entlang des Harzes durch das Nettetal nach Süden. Hohe Spot und Harzhorn bilden einen Pass am Altweg nach Süden. Offenbar hatten die Germanen genau an dieser Stelle den Weg versperrt.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass am Harzhorn ein weiterer Altweg kreuzte, der von der Ems über die Porta Westfalica, entlang der Weser und südlich des Harzes zur Elbe zog. Er führte von Lingen (Ems) über Bramsche, Kalkriese (römisch-germanisches Schlachtfeld), Lübbecke und Minden, Hameln, Eschershausen, Harzhorn, Gittelde, Osterode, Herzberg, Nordhausen, Kyffhäuser, Querfurt zur Elbe bei Leipzig.

* Braunschweiger Landesmuseum, Dirk Fabian 2013 (Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland)

Fall des Limes – Rückzug auf die Donau-Rhein-Iller Linie

Aufgabe des obergermanisch-raetischen Limes

In der Vergangenheit nahm man an, dass die Römer durch den Alemannen-Sturm gezwungen wurden, das Gebiet östlich des Rheins und nördlich der Donau zu räumen. Bodenfunde legen aber nahe, dass dieser Vorgang Folge einer jahrelangen Entwicklung während der sogenannten Reichskrise des 3. Jahrhunderts mit einem Niedergang des Grenzlandes war; auch Bürgerkriege im Imperium scheinen eine Rolle gespielt zu haben. All dies führte schließlich in den Jahren ab 259/260 zur endgültigen Aufgabe des sogenannten Dekumatlandes und zur Rücknahme der römischen Militärgrenze an den Rhein und an die Donau.

Verteidigung des Fluss-Limes an Rhein und Donau

Um das Jahr 261 überschritten die germanischen Franken erstmals die Rheingrenze bei Köln, um im Römischen Reich zu plündern. Seitdem gab es immer neue Überfälle der Franken und auch anderer Germanenstämme auf der linken Rheinseite. Um 310 errichteten deshalb die Römer unter Konstantin dem Großen eine Rheinbrücke bei Köln, damit sie bei Bedarf möglichst schnell Truppen über den Rhein bewegen und Handel mit den Germanen treiben konnten. Diese wurde durch das Kastell in Deutz gesichert. Diese Rheinbrücke verfiel etwa im Jahre 400.